Sânpetru German   

Kapitel 4: Vormarsch der Russen und unser Rückzug über die Karpathen

 

Die Weiterfahrt an die Front bei Czernovitz

unseren Marsch bis Zablosce fort, wo wir am 6. Dezember einwaggoniert wurden. Am 7. Dezember kamen wir in Lemberg(heute L’viv in der Ukraine) an, wo unser Zug auf einige Stunden anhielt. Wir benutzten die Gelegenheit und besichtigten die Stadt. Nachher setzten wir unsere Fahrt über Stryj, Stanislau, Kolomea fort. Am 8. Dezember kamen wir in Snyatin an, waggonierten aus, marschierten bis Oroscheni, wo wir uns einquartierten. Am 11. Dezem-ber inspizierte Armeekommandant Pflanzer Baltin unsere Division, nachher verblieben wir noch 8 Tage in Oroscheni.
Am 19. Dezember nachmittags 2 Uhr kam unerwartet Befehl zur Einwaggonierung und wir marschierten sofort zur Eisenbahnstation Nepokoloutz, wo wir unserem Befehl rasch nachkamen. Nachts 12 Uhr kamen wir in Czernovitz(Ukraine) an und marschierten noch in derselben Nacht bis in die Nachbarsgemeinde Mahala, wo wir in den frühen Morgenstunden ankamen und uns noch ein wenig ausrasteten(ausruhten).
Am 20. Dezember übersiedelten wir nach Rarance (heute vermutlich Ridkivtsi) und unsere Regimenter übernahmen die Stellung bei Rarance. Auch wurde in Erfahrung gebracht, dass die Russen auf dieser Linie einen Angriff planen, daher wurden unsererseits die größt-möglichsten Vorbereitungen und Vorsichtsmaßregeln getroffen. In das Drahtverhau vor der Linie wurde elektrischer Hochstrom eingeschaltet. Unser Kommando nahm seinen Standpunkt unmittelbar hinter der Schwarmlinie ein, um ja möglich Verbindung mit den Truppen in der Schwarmlinie halten zu können und die Befehle und notwendigen Anordnungen erteilen.

Zu Weihnachten 1915 unter Artilleriefeuer der Russen
Am 23. Dezember konnte man ganz genau feststellen wie sich die als Verstärkung beigezogene russische Artillerie auf unsere vordere Linie, auf unsere Batteriestellung und verschiedenen wichtigen Punkten eingeschossen hat.
Am 24. Dezember also auf Christnacht setzte von 12 bis 2 Uhr nachts heftiges feindliches Artilleriefeuer ein, nachher Ruhe. Um 4 Uhr morgens setzte feindliches Artilleriefeuer abermals ein u.zw. besonders heftig. Vielleicht tausend Geschütze nahmen unsere erste Linie in einer Breite von circa einem Kilometer unter Feuer. Die Geschosse heulten und brüllten durch die Luft und hunderte und hunderte von Granaten platzten mit einem ohrenbetäubenden Lärm auf einmal auf unsere Stellungen nieder. Der Himmel war ein Feuer und der Schauer der Nacht machte dieses Höllenspiel noch fürchterlicher. Unsere Mannschaft saß zusammen-gezogen und lautlos in ihren Deckungen, keiner weiß was kommt, was geschieht, ob er in der nächsten Sekunde noch unter die Lebenden zählt.
Das Trommelfeuer hält weiter an, die Granaten platzen ununterbrochen nieder, manche haargenau in der Stellung. Das Dach des Schützengrabens stürzt ein die Mannschaft unter sich begrabend; Hilferufe werden laut, die Verwundeten jammern aber es traut sich ihnen niemand in die Nähe. Die noch Lebenden kriechen langsam aus dem verhauenen Schützengraben heraus und nehmen Zuflucht in den unzähligen Granattrichtern der verschiedenen schweren Geschosse, denn es heißt, dass auf denselben Platz höchst selten nochmals eine Granate einschlägt.
Volle zwei Stunden hielt dieses allesvernichtende, schreckliche Trommelfeuer an, während dieser Zeit näherte sich die russische Infanterie unseren Stellungen. Nach 6 Uhr verlegte die feindliche Artillerie ihr Feuer mehr rückwärts auf unsere Reservestellungen. Es folgte sodann Angriff auf Angriff. In achtfacher Schwarmlinie rückten die Russen vor und es entstand ein verzweifelter Kampf um unseren total verhauenen und verschossenen Graben. Unser Drahtverhau, somit auch die Hochstromleitung war ebenfalls gänzlich verhauen(zerstört?) und funktionierte absolute nicht.
Unsere verbliebene Mannschaft führte einen erbitterten Kampf und erst dem dritten russischen Ansturm gelang es in unserem Graben Fuß zu fassen. Unsererseits setzte jedoch sofort ein Gegenangriff ein und der Feind wurde hinausgeworfen und dabei einige Gefangene gemacht.Mit unverminderter Heftigkeit dauerte der Kampf um diesen schrittbreiten Graben an. Einmal sind die Unsrigen, dann wieder die Russen Besitzer desselben. Um die Mittagszeit hat der Kampf nachgelassen. Die Russen haben ihre Angriffe eingestellt. Die Kanonen verstummten auf eine kurze Zeit; hie und da krachte noch ein Gewehr.
Nun kamen die Verwundeten und Toten an die Reihe. Welch ein Elend und Jammergeschrei! Gesunde, kräftige Männer liegen tot oder verwundet herum. Kopf -, Lungen- und Bauch-schüsse, abgerissene Arme und Beine sind nichts seltenes. Mein gewesener Zugskommandant Leutnant Tusko kam auch gestützt von seinem Diener mit einem schrecklichen Beinschuss dem Hilfsplatz zu.Nachmittags 4 Uhr setzte der Angriff der Russen aufs Neue ein. Und diese Menschenmetzelei ging Tag für Tag fort.
Es war Weihnachten und Mitten im Gefechtstumult flohen unsere Gedanken weit, weit über Berge und Täler in die liebe Heimat und wir weilten im Geiste, wenn auch nur auf einige Augenblicke bei den Lieben in der Heimat und erinnerten uns der herrlichschönen Weihnachtsfeste, welche wir stets mit Freude im Kreise unserer lieben Angehörigen verbrachten. Auch glaubten wir den Chorgesang einer Engelschar zu vernehmen, die da sangen: . Ja Friede, – du lieber Friede, wie weit bist du von uns!

Der Angriff der Russen zu Neujahr 1916
Am Neujahrsnachmittag 1916 war der Angriff der Russen abermals so heftig, dass man es für unmöglich hielt nochmals lebend davon zu kommen. In den darauffolgenden Tagen flauten ihre Angriffe ab und wir waren im Reinen, dass sie frische Kräfte beiziehen um wieder mit mehr Stoßkraft in den Kampf ziehen zu können. Selbstverständlich blieb auch unsere Armeeleitung nicht tatlos. Auch unsere ermüdeten und gelichteten Regimenter wurden aus der Kampflinie gezogen, nach Alt – Zucska rückwärts verlegt und durch ganz frische Regimenter ersetzt.
Inzwischen setzten die Russen ihre Angriffe fort. Am 7. Jänner 1916 gelang es ihnen sogar bis in die Gemeinde Raranc vorzudringen, sie wurden jedoch von dem 6. Honvéd Inft. Regiment nach hartem Kampfe zurückgeworfen. Die meisten sind zu Gefangenen gemacht worden und die Front wurde hergestellt.Die Kämpfe werden mit der größten Vehemenz weiter geführt aber ohne Erfolg. Schließlich sahen die Russen es doch ein, dass ihre Anstrengungen umsonst sind und dass wir nicht weichen, daher das viele Menschenmaterial unnütz vergeudet wird und sie stellten ihre Angriffe ein.
Am 20. Jänner verließen wir Alt – Zucska und lösten unsere Kampftruppen bei Rarance wieder ab. Es folgten ruhigere Tage. Wer jedoch diese Kämpfe mitgemacht hatte, dem werden sie lebenslang in Erinnerung bleiben und kann sich es als ein großes Glück anrechnen mit heiler Haut davongekommen zu sein.
Zur Festigung unserer Stellung wurde alles mögliche angewendet. Ganz neue Drahtverhaue wurden verfertigt und hinausgeschoben, der Graben wurde vollkommen hergerichtet. Auch verfiel man der Idee an Stelle der gedeckten Schützengraben sogenannte Fuchslöcher auszuheben die ziemlich tief in die Erde reichten und sichere Deckung gegen die Teufelsgranaten bildeten.
Eine 30,5 Mörserbatterie ( genannt) wurde auch beigezogen, welche tagsüber häufig ihre ungeheuren Geschosse den Russen hinübersandte. Überläufer der Russen erzählten, dass ihre Geschosse eine vernichtende Wirkung hatten und dass sie einen wahren Schrecken für die Russen bildeten.Außer kleineren Feuerüberfällen war nun nichts besonderes zu verzeichnen. Die Russen hatten die Lust zum Angreifen verloren.
Am 11. Feber 1916 wurde unsere Division abgelöst und abermals nach Alt – Zucska verlegt, diesmal aber nicht lange.

Der Vormarsch über den Dnyester
Am 17. Feber marschierten wir über Zasztavna (Zastavnivskyi) bis Grodek, wo wir die 5. Inft. Division ablösten und deren Stellungen übernahmen. Bei Grodek war eine große Brücke über den Dnyester geschlagen über welche sich sämtlicher Verkehr mit unserer Division abwickelte indem unsere Stellung eine brückenkopfförmige gewesen ist. Die Stellung übernahmen zuerst die Regimenter unserer Brigade während unsere Schwesterbrigade Nr. 200 in Reserve veblieb. Nun verbrachten wir ruhige Tage. Kaum war es zum Wahrnehmen, dass wir überhaupt an der Front sind.
Am 12. März 1916 wurde ich, wahrscheinlich als Belohnung für das tapfere Aushalten bei den schweren Kämpfen bei Rarance unter Zahl 48 der 51. Honvéd Inft. Division zum Zugführer befördert.
Am 13. März begleitete ich unseren Herrn Generalstabshauptmann Hegedüs in die Stellungen, der sich selbe besichtigte. Diese Gelegenheit benutzte ich auch dazu, dass ich meinen Cousin Nikolaus Bönisch, der beim Regiment 302 Dienst leistete, zu besuchen. Wir freuten uns wahrhaftig unserer Begegnung in der weiten Welt. Nikolaus war Schwarmführer und ich konnte erfahren, dass er von seinen Vorgesetzten seiner Verlässlichkeit wegen sehr gerne für Patrouillendienst und auf vorgeschobene Stellungen verwendet wurde(später wurde er auf einem Nachhutposten von den Russen eingefangen).

Auf Urlaub in der Heimat
Am 18. April wurde unsere Brigade abgelöst und wir gingen als Reserve nach Grodek zurück. Als wir am Abend in Grodek einlangten, verbreitete sich rasch die Nachricht, dass am nächsten Tage ein großer Urlaubertransport abgeschickt wird. Wer kann sich wohl die Freude recht vorstellen, welche diese Nachricht unter uns hervorrief. Von der Front auf Urlaub gehen, das war ein großes Wort! Aber wie groß war erst meine Freude auch unter den Glücklichen zu sein.
Am 19. April mitternachts marschierten wir zufuß von Grodek ab und langten 6 Uhr früh in der Eisenbahnstation Zalesczyki ein, wo wir den Zug bestiegen und abrollten. Es ging heimwärts! Wir passierten noch an demselben Tage die größeren Stationen Horodenka, Kolomea und gegen Abend kamen wir in Mármaros – Sziget an. Dann gings über Királyháza, Ermihályfalva, Großwardein, Csaba, Arad und abends 9 Uhr entstieg ich meinem Zuge und fühlte wieder Heimatboden unter meinen Füßen.
Es hatte freilich niemand Kenntnis von meiner Ankunft, um so größer war daher die Überraschung als ich am Fenster meiner lieben Eltern anklopfte und um Einlass begehrte. Herzliche Begrüßung und Umarmung gegenseitig; nachher ging ich rasch daran alles abzulegen und auszuziehen was ich von der Front mitbrachte, da die Gefahr bestand auch Kameraden mitgebracht zu haben – ich meine nämlich Läuse. Bis ich mich gereinigt hatte, war der Tisch schon gedeckt mit einem guten Nachtmahl, was meine liebe Mutter besorgte und eine Flasche guter Wein stand auch dabei. Ich ließ es mir gut schmecken; an Hunger und Durst fehlte es mir nicht, denn während meiner ganzen Reise habe ich nichts Warmes gegessen gehabt und dann noch in Betracht gezogen, mal wieder etwas von zuhause, von der Mutter, das ist doppelt gut.
Einige Tage rastete ich, dann half ich beim Kukuruzsetzen mit und wäre meine Beschäftigung so rasch gewöhnt gewesen, hätte mich nur nicht fortwährend der Gedanke geplagt, dass ich wieder hinaus an die Front muss. Habe mich auch sehr gut erholt während meiner Urlaubszeit. Wie aber alles einen Anfang und ein Ende hat, gings auch mit meinem Urlaub; er war abgelaufen und ich musste einrücken.

Zurück an der Front bei Grodek
Am 7. Mai sonntags vormittags reiste ich ab und am 10. Mai kam ich in Grodek (vermutlich heute Horodok) bei meiner Brigade an. Es freuten sich unsere Kameraden als wir Urlauber anrückten, einesteils um Neuigkeiten aus der Heimat zu erfahren, anderenteils erhielten auch sie einige gute Bissen von den mitgebrachten Esswaren und was das Allerwichtigste war, auch an sie kam die Reihe auf Urlaub zu gehen.
Am 12. Mai lösten wir unsere Schwesterbrigade abermals ab und übernahmen das Kommando in Szytowce (wahrscheinlich Shchytivtsi). In den ersten Tagen war die Front – wie früher – ruhig. Am 20. Mai herum begann es etwas lebhafter zu werden. Die Russen beschossen häufig den Ort Szytowce mit Artillerie. So auch am 24. Mai nachmittags.

Der Tod unseres Kameraden Utvinyáncz
Unser Kamerad Utvinyáncz (ein Temeswarer Kind) lag als die ersten Schüsse in den Ort fielen in unserem Quartier oder Nachtlager und schlief; er hatte in der Vornacht Dienst gehabt. Auf den Kanonendonner erwachte er und da er im Zimmer allein war, wollte er in die Telefon-zentrale hinunter eilen. Als er am Gassentor anlangte und schon im Begriffe war, auf die Straße zu treten, feuerten die Russen ab und er blieb stehen um zu beobachten wo das Geschoss einschlagen wird. Die Granate kam heulend und pfeifend immer näher und platzte dann unmittelbar in seiner Nähe nieder. Ein Aufschrei und unser Kamerad und Freund stürzte leblos zu Boden. Einige Sprengstücke der Granate haben seinem jungen Leben ein Ende bereitet.
Daraufhin entstand eine riesige Aufregung und Furcht bei uns Telefonisten, es traute sich im Moment niemand ihm zu nähern und er musste bis wir uns von dem Schreck erholten, liegen bleiben, wo ihn die Granate niederstreckte.Endlich fassten wir uns soviel Mut und trugen ihn in unser Zimmer. Dann gingen wir daran und schlugen so gut wir konnten aus Brettern eine Totentruhe zusammen und legten ihn hinein. Aus Blumen wurde ein schöner Kranz verfertigt und auf den Sarg gelegt, nachher eine Fotgraphie – Aufnahme gemacht. Die ganze Nacht hindurch wachten wir bei unserem Toten.Am nächsten Tage kam der Hochw. Herr Feldpater von der Division zur Beerdigung, welcher sämtliche Telefonisten unserer Brigade beiwohnten. Er wurde auf dem Friedhofe zu Szytowce zur ewigen Ruhe bestattet.Es war schmerzlich, herzzereissend Augenzeuge zu sein, wie ein junger braver Mann, der noch vor einigen Stunden heiter, gesund und hoffnungsvoll in die Zukunft blickte von einer feindlichen Kugel niedergestreckt – weit entfernt von der lieben Heimat, von seiner lieben Mutter und Geschwisten – der fremden Erde übergeben wurde. – Ruhe sanft! Da Utvinyáncz mit seinen lieben Angehörigen deutsch korrespondierte, fiel mir die Aufgabe zu, dieselben von dem Heldentot ihres innigstgeliebten Alexander zu verständigen.Nach kaum acht Tagen kam ein Brief von seiner alten, schwergekränkten Mutter, in welchem mit zitternder Hand Dankesworte an uns gerichtet waren für all das, was wir ihrem geliebten Sohn noch antun konnten.Es folgten schlimmere Tage. Unser Kommando und Umgebung hielt der Russe sozusagen ständig unter Artilleriefeuer. Schutz konnten wir nur mehr hinter den hohen Ufern des Sereth – Flusses (Dnyeszter) finden, wohin wir uns ein ständiges Lager errichteten. 

Die erneute Offensive der Russen
Am 4. Juni 1916 zeitlich früh setzte auf der ganzen Front vor uns und etwas rechts von uns ein heftiges Artilleriefeuer von Seiten der Russen ein. Wir waren uns im Reinen, dass wir uns abermals auf eine gewaltige Offensive der Russen gefasst machen können. um die Mittagszeit ging ihre Infanterie auf Angriff über. Vier Angriffe wurden blutig zurückgeschlagen. Die Nacht verlief ruhiger. Am 5. Juni zeitlich früh setzte ihr Angriff wieder mit besonderer Wucht ein. Etwas rechts von uns, bei Ocna sollen sich erbitterte Kämpfe abgespielt haben und den Russen ihre Anstrengungen wären abermals vergeblich gewesen, hätte nicht ein tschechisches Regiment Verrat begangen indem das Regiment zum Feinde überging und somit das Schicksal unserer Linie besiegelte. Bei Eintritt der Dunkelheit bekamen wir Befehl unsere Stellungen zu verlassen und den Rückzug anzutreten. Unsere Frontgeschütze und eine Menge Munition, welche wir nicht mehr wegschaffen konnten, wurde in die Luft gesprengt. Das große Divisionsmagazin voll Proviant wurde mit Petroleum übergossen und angezündet. Zirka 10 Hektoliter Rum und 30 Hklt. Wein wurden in den Dnyester gelassen.
Um den Rückzug zu decken wurde ein kleiner Nachhut in der Stellung zurückgelassen und die Menge der Truppen zog sich zurück. Als wir in Wasileu (Vasyliv) anlangten – es war kurz nach Mitternacht – war eine fürchterliche Detonation hörbar und wir wussten, dass die große Brücke bei Grodek in die Luft geflogen ist um dem Feind den Übergang über den Dnyeszter zu erschweren.
Es ging über Tontry (Tovtry) bis Jourkutz (Yurkivtsi) wo sich unsere Division sammelte. Wir waren uns dessen bewusst, dass nun schwere Tage für uns folgen, denn so ein Rückzug war immer etwas Schreckliches.
Wir nahmen Verbindung mit den Kampftruppen in der Front und unsere Regimenter wurden bald nach rechts, bald nach links geworfen wo man die Gefahr eben am größten wähnte.
Am 10. Juni früh morgens setzte der Russe abermals starke Kräfte ein. Auch unsere Truppen wurden voll eingestzt und es entwickelte sich ein außerordentlich heftiger Kampf. Unser Befehl lautete: die Stellung auf alle Fälle! Und diesem Befehl wollten wir mit äußerster Kraftanstrengung nachkommen; leider wurde er uns zum Verhängnis. Unsere Kampftruppen konnten der russischen Übermacht, trotz Ausdauer und allem guten Willen nicht widerstehen. Knapp vor Mittag gelang es den Russen nach heftiger Bearbeitung mit schwerer Artillerie in unsere Stellungen einzudringen und den größten Teil unserer Truppen zu Gefangenen machen. Die Wenigen, die noch ausreißen konnten, kamen zerstreut über alles hergelaufen und brachten unserem Kommando die Nachricht über das Vorgefallene und deuteten an, dass die Russen im Vormarsch sind und in ganz kurzer Zeit in Jourkutz eintreffen dürften.

Die Flucht vor den Russen bis Delatyn
Die Folge davon war, dass unsererseits ein kopfloser Rückzug einsetzte. Es ging quer über die Felder her. Das Korn und der Weizen stand mannshoch vor seiner Reife und wurde auf den Erdboden niedergetrampelt. Die Straße war dicht voll mit Artillerie und Train; ein Wagen wollte vor den anderen bis schließlich eine gänzliche Stockung eintrat, keiner konnte sich mehr vom Platze rühren. Der Wirrwarr war ohne Maßen. Als die Situation schon katastrophal zu werden drohte, gab Genealstabsmajor Takácsy im Auftrage des Divisionärs einem Truppenoffizier den Befehl die zerstreuten herumlaufenden Mannschaftspersonen zu sammeln, hinter den letzten Wägen Front zumachen und die Russen solange aufzuhalten bis unser Rückzug geordnet ist. So geschah es auch. In ganz kurzer Zeit war cca eine Kompanie beisammen, nahm Front gegen die Russen, währenddessen die Artillerie, Train, Kommandos etc. den Rückzug ungestört fortsetzen konnten. Im Kampf bei Jourkutz wurde auch mein Landsmann Mathias Gitzing eingefangen.
In einem Laufschritt – artigen Tempo erreichten wir spät abends Kotzmann(Kitsmanskyi), wo wir die Nacht verbrachten.
Am 11. Juni setzten wir unseren Rückzug über Oroscheni(Oroshany), Snyatin(Sniatynskyi) bis Stecova fort. In Stecova wollten wir telefonische Vebindung mit den Truppen herstellen, kaum hatten wir den Anfang gehabt, so hieß es schon <zurüc>. Die ganze Nacht hindurch angestrengter Marsch. In der Früh des 12. Juni kamen wir in Kulaczkovce gänzlich erschöpft an. In Kulaczkovce trafen wir frische Marschbatallione, die zur Ergänzung unserer Regimenter einlangten. Nach ihrer Einteilung wird der Rückzug über Balincze(Balyntsi), Postaje fortgesetzt. Auf der Landstraße gegen Podhajczyki nahm die Division Stellung, welche Stellung bis zum 20. Juni behauptet werden konnte. Nachher Rückzug über Kobylec (Kobylets), Peresvo, Tracz, Muculin, Folia – Dola bis Hobinak (Hadvirnianskyi).
Während dem Rückzug traf ich in Peresvo den Landsmann, Oberleutnant Kehrer(heute Notar in Secusigiu).
Bei Hobinak wurde Front genommen und unser Brigadier -General Benke übernahm das Kommando von einem ziemlich großen Abschnitt. Die Russen näherten sich langsam unserer Linie und am 28. Juni entwickelte sich ein kräftiger russischer Angriff. Trotzdem wir einige Batallione zum Gegenangriff führten, gelang es uns nicht die Russen zum Stehen zu bringen. Es war alles vergeblich. Durch die großen Rückzüge und Verluste hatten unsere Truppen den Mut, die selige Kraft verloren gehabt um dem russischen Ansturme die Stirn zu bieten.

Der Kirchweihschmaus in Delatyn
Um die Mittagszeit des 29. Juni kamen wir in dem kleinen Städtchen Delatyn(Deliatyn) an. Es war am Tage meines Kirchweihfestes in der Heimat. Die Bewohner, insbesondere die Juden hatten fluchtartig ihr Heim verlassen, alles zurücklassend. In den Kaffee – und Gasthäusern fanden wir angezapfte Bierfässer, dann Flaschenbier, sonstige Getränke und Esswaren in Hülle und Fülle. Dass Soldaten, dazu noch Frontkämpfer wohl wussten was anzufangen damit, ist begreiflich. Der Hunger und Durst wurde mal gehörig gestillt und speziell ich dachte mir, dass wahrscheinlich die göttliche Vorsehung es wollte, dass ich am Tage meines Kirchweihfestes, wenn ich auch nicht das Glück hatte zuhause zu sein, dennoch einen angenehmen Schmaus miterleben durfte.

Das weitere Vorrücken der Russen
Die Russen ließen nicht locker. Ort um Ort waren wir gezwungen aufzugeben. Bei Lanczyn und Mlodiatyn kam es zu Kämpfen und das Ende vom Lied war jedesmal ein gefährlicher Rückzug. Herr Oberleutnant Kehrer wurde bei Lanczyn verwundet.
Bei Sadzawka nahm unsere Division abermals Stellung. Die russische Artillerie hielt uns unter spärlichem Feuer.
Am 4. Juli streute sie einige Schrapnell in die Umgebung unseres Kommandos und verwundete unseren Kommandanten General Benke leicht am Fuße, welcher schleunigst die Front verließ und sich nach Budapest ins Spital begab. Unsere Offiziere meinten, der Schuss war für General Benke etwas wert.

Der Rückzug über die Karpathen in die Bukowina
Endlich sah das Armeekommando ein, dass man mit einer zerschlagenen, niedergerungenen und entmutigten Mannschaft keine Front mehr halten kann und gab den Befehl zur Ablösung unserer Division. Wir Telefonisten rückten zur Divisionstelefonabteilung ein. Während die Kampftruppen in der Umgebung von Nadworna (Nadvirnianskyi) platziert wurden, erhielt das Divisions – Kommando mit den Telefonisten den Befehl zur Einwaggonierung. Am 6. Juli rollte unser Zug ab. Es ging über Stanislau, Halicz, Stryj, Lawvczne, Munkács, Nagyszöllös, Királyháza, Marmaro-Sziget bis Borsa wo wir am 9. Juli morgens ankamen und auswaggonierten. Um 8 Uhr Abmarsch von Borsa zufuß über die Karpaten. Die Nacht verbrachten wir im Freien auf einer Bergkuppe. Am nächsten Tage erreichten wir Kulibaba und am 11. Juli kamen wir in Jakobeni, eine deutsche Gemeinde der Bukowina an und quartierten uns ein.
Unserem Kommando wurden sämtliche, bei Jakobeni befindliche Truppen unterstellt. Kämpfe waren keine besonderen zu verzeichnen. Kleinere Vostöße der Russen wurden jedesmal abgewiesen.
Am 26. Juli erhielt unser Kommando abermals Befehl zur Einwaggonierung in Borsa. Wir legten denselben Weg zurück nach Galizien in die Umgebung von Nadworna, wo wir unsere Regimenter ergänzt und in Kampfbereitschaft gesetzt fanden. An der Front Ruhe. Am 7. August rückte Oberst Thyll als Brigadier zu unserer Brigade ein.