Sânpetru German   

Kapitel 5: Kampf gegen Rumänien nach dessen Kriegserklärung

Am 14. August verbreitete sich die Nachricht, dass unsere Division nach Ungarn verschoben wird. Warum, – wusste uns kein Mensch zu sagen. Die Nachricht bestätigte sich. Am 16. August waggonierte die Division schon ein. Diesmal gings gegen Budapest, Szolnok, Csaba, Arad und dann Siebenbürgen zu. Von Arad wollte ich einen kleinen Abstecher nachhause machen, jedoch erlaubte es mir meine Vorgesetzten nicht und eigenmächtig habe ich mir fest vorgenommen gehabt die Truppe niemals mehr zu verlassen. In der Station Mühlbach (Sebes) waggonierten wir aus und quartierten uns in der Stadt ein. Während der ganzen Fahrt zerbrachen wir uns den Kopf, weswegen wir eigentlich nach Siebenbürgen gebracht wurden; wenn nicht etwas los sein würde, wäre unser Transport nicht erfolgt. Endlich sickerte soviel heraus, dass uns von Seite Rumäniens neue Gefahr droht und deshalb die Truppenkonzentrie-rung in Siebenbürgen.

Die Kriegserklärung Rumäniens während des Besuchs meiner Angehörigen

Ich verständigte meine l. Eltern von unserem neuen Aufenthaltsort und gab ihnen zu wissen, dass wir keinen Urlaub bekommen; falls sie mich aufsuchen wollten, hätte ich keine Einwendung dagegen.
Am 28. August sind Vater und Mutter, meine Schwester Theresia und die Maria Schlinger tatsächlich auf Besuch bei mir angekommen. Ich hatte eine besondere Freude mit meinen Besuchern, haben sie mich doch mit allem Möglichen wieder reichlich versorgt. Sie planten einige Tage bei mir zu weilen. Leider kam es ganz anders, denn noch am 28. August 1916 in der Nacht 12 Uhr hat Rumänien uns den Krieg erklärt. Diese Nachricht rief begreiflicherweise in ganz Siebenbürgen eine große Panik hervor. Die Zivilleute fingen an kopflos zu flüchten; die Eisenbahnzüge waren überfüllt, alles eilte dem Innern des Landes zu. Ich konnte nur mit schwerer Mühe meinen Angehörigen einen Platz auf dem nächsten Zuge verschaffen, mit welchem sie die Heimreise schleunigst unternahmen.
Unsere Division bekam strenge Bereitschaft. Jeden Augenblick waren wir gefasst auf eine Disposition. Die Stimmung war im Allgemeinen gedrückt ob der neuen Kriegserklärung; mussten wir doch den Kampf mit einem neuen Feind aufnehmen.

Die Weiterfahrt bis vor Hermannstadt

Am 30. August Einwaggonierung und Abmarsch gegen Hermannstadt, wo wir nachmittags eintrafen. Die Stadt war militärisch schon geräumt und da herrschte ebenfalls eine große Panik und Angst unter der Zivilbevölkerung; jeden Moment fürchteten sie den Einzug der rumänischen Truppen. Wir marschierten durch die Stadt der Grenze zu. In der Nacht wurden wir aber zurückbefehligt und gaben Hermannstadt gänzlich auf. Hinter der Stadt nahm unsere Division in einer Breite von zirka 30 km Front u.zw. mit dem Befehl, falls ein feindlicher Angriff einsetzen sollte, diesem keinen Widerstand zu leisten sondern uns zurückziehen einesteils darum, weil noch viel zu wenig Truppen konzentriert waren um den Kampf aufzunehmen und andererseits auch aus taktischen Gründen indem man wusste der rumänischen Armee nur so einen größeren Schlag versetzen zu können, wenn sie tiefer ins Land hereinkommen. Die Einnahme von Hermannstadt Unser Kommando nahm in Groß – Scheuern (Sura – Mare), einem sächsischen Dorfe, Quartier und Lager. Die Gemeinde Groß- Scheuern wurde evakuiert; die Bevölkerung wurde mit Gewalt aus ihren Häusern vertrieben, da sie sich weigerten dieselben zu verlassen. Sie mussten alles im Stiche lassen; kaum konnten sie die notdürftigen Kleider mit sich nehmen. Ein alter Mann blieb zurück und erklärte, dass er lieber sterbe als sein Haus verlasse; er wurde auch in Ruhe gelassen. An Lebensmittel mangelte es uns insbesondere die erste Zeit nicht. Wir fanden in manchen Höfen Hennen, Schweine, Mehl, Kartoffel etc. Auch war sehr viel Obst in der Gemeinde und Umgebung, so dass wir nach Wunsch leben konnten. Die Rumänen machten keine Angriffe. So verging die Zeit ohne besondere Ereignisse. In der letzten Septemberwoche sahen wir häufig reichsdeutsche Offiziere und Generäle die Rekognoszierungen hielten und wir vermuteten, dass etwas im Zuge sei. Am 25. Und 26. September kamen sodann deutsche Truppen heranmarschiert und lösten von unserer Division ein Batallion nach dem anderen ab, so dass unsere Division nur mehr eine Front von einer Breite eines Kilometers hatte. Noch am 26. September nachmittags ging uns der Angriffsplan und Befehl zu nach welchem am 27. September in der Früh 4 Uhr unser Angriff auf der ganzen Linie einsetzt.Planmäßig ging nun alles von statten. Knapp vor 4 Uhr früh setzte unsererseits ein heftiges Artilleriefeuer ein. Eine halbe Stunde später ging unsere Infanterie auf Angriff über u.zw. mit dem Befehl die feindliche Stellung auf jeden Fall – koste es was es kostet- einzunehmen. Unsere Infanterie stieß jedoch auf keinen Widerstand; die feindliche Stellung war leer und verlassen und unsere Truppen rückten sofort gegen Hermannstadt vor. Um 7 Uhr früh war Hermannstadt in unserem Besitz. Die Bevölkerung der Stadt benahm sich mehr zurück-haltend, bloß auf dem großen Ringplatz fanden Begrüßungen und Kundgebungen für uns statt. Die Verfolgung des Feindes bis FogaraschDas Hauptziel war ja auch eigentlich die Verfolgung des Feindes. Gegen Abend erreichten unsere Truppen vor Schellenberg (Selimbar) den Feind. Unsere Artillerie schoss sich noch auf die feindliche Stellung ein. Die Nacht verbrachte unser Kommando in der Husarenkaserne bei Hermannstadt. Am 28. September zeitlich früh griffen unsere Truppen die feindliche Stellung an und es entwickelte sich ein ziemlich heftiger Kampf in dem die Rumänen Widerstand leisten wollten. Unsere Infanterie stellte ihrenAngriff ein und die Artillerie begann ihre Arbeit. Mit den verschiedensten Kaliber unserer Geschütze wurde die feindliche Stellung bearbeitet und in den Nachmittagsstunden konnte unsere Infanterie ihren Vormarsch ungehindert fortsetzen. Ein großer teil der rumänischen Truppen zogen sich in den Roten – Turm Pass (Turnu Rosu) zurück, wohin wir die Verfolgung des Feindes nicht aufnahmen, da inzwischen eine Verständigung einlangte, dass ein deutsches Batallion von Petrozsény (Petrosani) aus, in angestrengtem Marsch dem Roten – Turm Pass zu marschiert mit der Absicht denselben abzusperren und die rumänischen Truppen zu Gefangenen machen. Dieser Plan ist nur teilweise gelungen, indem das deutsche Batallion etwas verspätet einlangte und ein großer Teil der feindlichen Truppen den Pass schon passsiert hatten. Dennoch wurden Gefangene gemacht und ziemlich viel Kriegsmaterial erbeutet.Unsere Division wechselte sodann die Front und die Ortschaften Felek (Freck , Avrig), Porumbak, Viszt (Vistea), Alsoszombatfalu (Simbata) und Bethlen wurden der Reihenfolge genommen. Vor Fogarasch kam es zu einem kleinen Kampfe, doch musste der Feind bald weichen und wir zogen in Fogarasch (Fagaras) ein. In der Eisenbahnstation fanden wir zwei Waggon Brot(Wecken), welches die Rumänen im Stiche lassen mussten und wir warfen uns mit besonderer Gier darauf,da es noch bedeutend schöner und besser wie das unsrige gewesen ist. Jeder Einzelne steckte einige Wecken ein.

Die Einnahme von Kronstadt

Nach Fogarasch nahmen unsere Truppen Zeiden (Codlea), ein hübsches sächsisches Dorf und Vidombak (Weidenbach; Ghimbav) ein.
Am 13. Oktober in den Morgenstunden Aufmarsch gegen Kronstadt (Brasov). Vor der Stadt hatte der Feind sich eingeschanzt gehabt und so war ein Kampf unvermeidlich. Bald war jedoch der Widerstand des Feindes gebrochen und wir marschierten knapp nach Mittag in Kronstadt ein.
Unser Einzug in die Stadt ging trotz des freundlichen Empfanges der sächsischen und ungarischen Bevölkerung nicht ganz glatt vor sich. Es wurden Schüsse aus den Fenstern auf uns abgegeben und dabei ein Infanterist aus einem Jagdgewehr tötlich verletzt. Der Schießer konnte ermittelt werden und wurde dem Kriegsgericht überliefert, vor welchem er sich zu verantworten hatte. Es war ein Zivilist, natürlich ein Rumäne.
Die Stadt wurde nun durchgestöbert, wie dies bei den Kriegern schon Gebrauch war um etwas aufzutreiben. Es dauerte auch gar nicht lange und ein großer Weinkeller war entdeckt, wohin dann einer nach dem anderen pilgerte um seinen Kulacs anzufüllen. 

Die Erstürmung von Predeal

Nach kurzem Aufenthalt in Kronstadt setzten wir unseren Marsch dem Tömöser – Pass (Timis) zu, fort. Der Pass war frei vom Feinde, erst vor Predeal machten unsere Truppen halt, wo sie den Feind in festen Stellungen fanden.
Der Kampf war im Hochgebirge bedeutend erschwert; außerdem setzten die Rumänen alles daran um ihre Stellungen zu behaupten und uns den Überschritt der Grenze ihres Landes zu erschweren.
Nach einigen erfolglosen Vorstößen auf die Höhen vor Predeal stellten wir unseren Angriff ein und mussten das Einlangen eines Reichsdeutschen Batallions abwarten, welches zwei Tage später tatsächlich anrückte. Inzwischen ist auch ziemlich viel Artillerie aufgefahren und der Angriff auf Predeal wurde gründlich vorbereitet.
Am 17. Oktober in den Nachmittagsstunden ging der Angriff, welchen General Falkenhayn leitete, vor sich. Nach heftiger Artillerievorbereitung erstürmten unsere Truppen gemeinsam mit dem deutschen Batallion die feindliche Stellung und Predeal gelangte in unseren Besitz. Dem Feinde wurden erhebliche Verluste beigebracht, insbesondere von der Artillerie, weil sie sich in ihrer Stellung zumeist in Haufen gruppierten und somit bei Granatvolltreffern alle zerstückelt wurden.
Predeal war von der Zivilbevölkerung gänzlich geräumt, keine Seele konnte aufgefunden werden. Die Einrichtungen in den Häusern blieben größtenteils zurück und da standen uns ganz nett möblierte Zimmer zur Verfügung, in welchen wir dann wie große Herren einzogen.

Das Vordringen im Prahovatal bis Ploesti

Am 24. Oktober setzten wir unseren Angriff fort und es gelang uns die Ortschaften Azuga und Busteni zu nehmen und Nahe bis Sinaia vorzudringen, wo unsere Kampftruppen abermals auf befestigte und gut besetzte Stellungen stießen.
In Azuga wurde eine Champagnerfabrik mit noch ziemlich viel fertigem Vorrat entdeckt. Es ging ein Sturm auf den Champagner los; jeden Einzelnen Infanteristen konnte man mit Champagnerflaschen sehen; unsere Telefonkutscher luden einige Kisten auf ihre Wägen und am Abend gab es bei unserem Stabe einen allgemeinen Champagnerrausch, die Offiziere mit einbegriffen. Mehrere Tage hindurch tranken wir noch Champagner.
Unsere Angriffe wurden eingestellt, da ein Vorwärtskommen in dieser Gebirgsgegend mit sehr schweren Opfern hätte bezahlt werden müssen. Einige Höhen mussten wir dennoch nehmen um das Tal zu dominieren, da uns eine feindliche Batterie sehr unangenehm wurde. Auch befestigten wir unsere eigene Linie um eventuellen Überraschungen vorzubeugen.

Es fuhr nun in dem Prahovatal eine Menge Artillerie auf, von dem kleinsten bis zum größten Kaliber, sogar eine 42 er Mörserbatterie wurde herbeigebracht und aufmontiert. Ein ungeheures Vieh! Ein ganzer Lastzug stand ihm zur Verfügung. Zwei Tage und zwei Nächte wurde ununterbrochen an der Aufmontierung gearbeitet.
Vor Sinaia ist ein ziemlich großer Tunnel, den die Rumänen dazu ausnutzten, dass sie auf einen Lastwaggon zwei Geschütze montierten, den Waggon mehrmals im Tage aus dem Tunnel etwas vorschoben, rasch einige Schüsse abfeuerten und sodann wieder verschwanden. Gegen diese Geschütze musste der Mörser ankämpfen, indem er einen Schuss haargenau in den Mund des Tunnels legte und somit die Ausfahrt vollkommen zerstörte. Die rumänischen Geschütze verstummten und ließen sich nicht mehr hören.
Größere Anstrengungen wurden unsererseits keine mehr gemacht, indem wir schon damit rechneten, dass der Feind vor uns gezwungen wird seine Stellungen zu verlassen, da unsere Armeen von Craiova und die aus Bulgarien schon in ziemlich raschen Tempo gegen Bukarest vormarschierten und somit Gefahr liefen von rückwärts gänzlich abgeschnitten zu werden.
Am 20. November in den frühen Morgenstunden melden unsere Truppen aus der vorderen Linie, dass es in der rumänischen Stellung im Laufe der Nacht auffällig ruhig geworden ist und verliehen der Vermutung Ausdruck, dass sie verlassen ist. Gleich erging ein Befehl von der Division durch eine Patrouille den Tatbestand feststellen zu lassen. Unsere Patrouille meldete, dass die rumänische Stellung tatsächlich leer und verlassen ist. Sofort wurde aufgepackt und die Richtung gegen Sinaia zu eingeschlagen. An demselben Morgen lag ein dichter Nebel über der Umgebung und fiel feinrieselnd auf die Erde hernieder. Während unserem Vormarsch mussten wir sonderbarerweise die Feststellung machen, dass wir schon ähnlich den Rauchfangskehrer aussahen und wir wussten uns diese Erscheinung nicht im Geringsten zu erklären. Als nun der Nebel herabgefallen war und wir einen weiteren Ausblick hatten, bemerkten wir weit in der Ferne kolossalgroße Rauchsäulen gegen den Himmel emporsteigen und es wurde uns erklärt, dass die Rumänen die großen Petroleumbehälter bei Cimpina und Ploesti in Brand steckten und der mit dem Nebel vermischt herunterfallende Ruß es verursachte, dass wir alle schwarz wie die Rauchfangkehrer wurden.
Um die Mittagszeit zogen wir in Sinaia, in dem herrlich gelegenen Sommeraufenthaltsort des rumänischen Königs ein. Die Zivilbevölkerung war voller Angst, dass ihnen vielleicht ein Leid zugefügt werden könnte, was natürlich nicht der Fall war. An jedem Haus war ein kleines, weißes Fähnchen gehisst.
In Sinaia verbrachten wir 8 Tage, nachher marschierten wir durch Cimpina bis Ploesti. Bukarest ist inzwischen gefallen und die rumänische Armee wurde in die Moldau zurückgedrängt. Unsere Division wurde nach Kronstadt zurückverlegt, wo wir die Zeit vom 10. bis 26. Dezember 1916 verbrachten und uns zum erstenmal ruhige Weihnachtsfeiertage .beschieden waren