Sânpetru German   

Kapitel 6: Zurück in die Bukowina und später nach Oberungarn

 

Am 26. Dezember waggonietren wir bei Kronstadt ein und wurden in die Bukowina nach Dorna – Watra (Vatra – Dornei) transportiert.

Von Dorna – Watra marschierten wir nach Dragoiasa, wo wir eine kaiserliche Truppe ablösten. In dieser Stellung hatten wir abermals russische Truppen als Gegner vor uns. Am 16. Jänner 1917 trat ich einen 18 tägigen Urlaub an.
Am 3. Feber 1917 bei meiner Brigade eingelangt, fand ich alles beim Alten.
Unsererseits begann nun eine riesige Propaganda bei den russischen Mannschaften gegen den Krieg und mit allen möglichen Mitteln, Flugschriften etc. wurde dahingearbeitet die russischen Truppen zu demoralisieren und zur Revolution aufzureizen.
Am 5. März wurde ein kleiner russischer Vorstoß blutig zurückgeschlagen; nachher hielt die feindliche Artillerie unsere Stellungen während des ganzen Tages lebhaft unter Feuer.
Die Umgebung von Dragoiasa ist eine wildromantische Gebirgsgegend mit all ihren Schönheiten. Bei ruhigen Tagen und schönem Wetter benutzten wir nicht selten die Gelegenheit nun Ausflüge in die Umgebung zu machen. So ging ich auch an einem schönen Nachmittage ganz allein in Gedanken versunken auf einen Spaziergang talabwärts. Als ich schon ziemlich weit gegangen war, sah ich schon von Weitem einen Soldaten am Straßenrand sitzen, die Füße in den Graben hängend. An diesem Allem hätte ich selbstverständlich keinesfalls was Besonderes vorzufinden gehabt, da es ja keine seltene Erscheinung war, wenn nicht als ich näher kam, die Postur des Soldaten mir so auffallend gewesen wäre. Mein Gedankengang verwirrte sich plötzlich und ich fing an den Kameraden am Straßenrand etwas schärfer ins Auge zu nehmen. Er ist mir doch so bekannt; aber, wer ist’s? woher ist er? Als ich in seiner unmittelbaren Nähe anlangte, bemühte ich mich ihn von vorne ins Gesicht zu sehen und da musste ich in dem Leidensgenossen meinen Nachbarn und Freund Christian Becker erkennen. Es war eine Überraschung in der weiten Ferne. Hastig wechselten wir Worte um einer dem anderen seine Lage und Befinden je rascher klar zu machen. Mein Nachbar war marode und war auf dem Wege zum Regimentshilfsplatz zu gehen, wohin ich ihn dann auch begleitete.
Am 16. März erhielten wir Nachricht, dass in Russland die Revolution ausgebrochen sei; der Zar wurde zur Abdankung gezwungen und die Macht hatte Kerensky an sich gezogen. An den russischen Osterfeiertagen wurden unsererseits auf Armeekommandobefehl alle Gefechtshandlungen strengstens eingestellt. Kein einziger Schuss durfte fallen. Während dieser Zeit fanden häufig Zusammenkünfte mit russischen Soldaten zwischen den Schwarmlinien statt, wobei stets drauflos gearbeitet wurde die russische Mannschaft zum Waffenniederlegen zu bewegen. Die Zusammenkünfte, welche längere Zeit hindurch stattfanden, blieben natürlich nicht ganz ohne Wirkungen.Am 10. Juni bekam ich abermals einen 20 tägigen Urlaub. Das Verlangen und die Sehnsucht nach Frieden war auch zu Hause über alle Maßen groß. Am 30. Juni rückte ich zu meiner Brigade ein. Lage unverändert.

Der Rückzug der Russen aus der Bukowina

Am 22. Juli vormittags 9 Uhr eröffnete die russische Artillerie plötzlich ein heftiges Feuer auf unsere Stellungen, welches bis spät in die Nacht hinein andauerte. Infanterie – Angriffe erfolgten keine. Am nächsten Tage wiederholte sich dasselbe Spiel und wir standen da vor einem Rätsel. Indem wir natürlich auch über ziemlich verlässliche Spione verfügten, war es bald heraus, dass die Russen ihre Munition ausschießen und nachher abziehen wollen. Auch wurde in Erfahrung gebracht, dass es mit der Disziplin bei der russischen Armee schon ziemlich schlecht bestellt sei.
In der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August 1917 haben die Russen ihre Stellungen geräumt und sind auch tatsächlich abgezogen. Wir nahmen ihre Verfolgung auf. Nachmittags 5 Uhr erreichten wir Darmocia, wo wir die Nacht verbrachten.
Am 2. August vormittags hatten wir die russischen Truppen vor Brosteni erreicht. Die russischen Truppen bekamen neue Offiziere zugeteilt, welche die locker gewordene Disziplin aufzurichten hatten. Da nun diesbezüglich tatsächlich Anstrengungen gemacht wurden, war der Kampf wieder unvermeidlich geworden. Unsere Truppen nahmen sodann Höhe um Höhe und zogen am 4. August in Brosteni ein.
Unsere Angriffe wurden fortgesetzt. Einige Höhen östlich Brosteni im Kampfe genommen. Unser Brigade- Kommando zog in Lungeni ein und nahm Quartier im dortigen Staatsspitale, welches zur Unterbringung und Heilung Geschlechtskranker diente. Die Geschlechts-krankheiten sollen in dieser Gegend angeblich auch in Friedenszeiten sehr verbreitet gewesen sein.
Am 9. August wurden unsererseits Vorbereitungen zu weiteren Angriffen getroffen; sind jedoch von Seite des Korpskommandos abgesagt worden, weil die Russen durch Gefangene und Überläufer verlauten ließen, dass sie nicht mehr weichen und bereit sind ihre Linie bis auf den letzten Mann zu verteidigen.
Es folgten abermals ruhige Tage. Während diesen ruhigen Tagen durchstreiften wir die Umgebung und entdeckten üppige Mais – und Kartoffelfelder. Trotz allem Verbot, etwas anzurühren ist es begreiflich, dass wir nicht hungerten solange noch etwas vorzufinden war. Die Einwohner natürlich sind am schlechtesten gefahren, indem ihnen kaum etwas geblieben ist.
Am 15. Oktober ging der zu unserem Stabe zugeteilte Hauptmann Wertheim auf Urlaub und auf die Dauer des Urlaubes rückte mein Landsmann Zoltan Lambert, Leutnant von Charge zu unserer Brigade ein. Er konnte sich während dieser kurzen Zeit ein wenig erholen und einen kleinen Einblick in die Arbeit der Generalstäbler gewinnen.
Anfang November 1917 bekam unsere Division Befehl zur Verschiebung. Am 11. November 3 Uhr früh marschierten wir von unserem Standpunkte ab und kamen nachts 12 Uhr nach Zurücklegung eines Weges von 65 Kilmeter in Dorna – Watra gänzlich erschöpft an. Es war eine stockfinstere Nacht und so war uns das Suchen nach einem entsprechenden Quartier fast unmöglich und wir legten uns zusammengepresst in eine asphaltierte Küche des erstbesten Hauses nieder. Anstatt auszuruhen sind uns bis es hell wurde die Knochen im Leibe beinahe zerbrochen.
Am 12. November nachmittags 4 Uhr Befehl zur Einwaggonierung und abends 8 Uhr kamen wir in Cimpulung (Bukowina) an, wo wir übernachteten. Am nächsten Morgen marschierten wir in die Nachbarsgemeinde Eisenau. Eisenau ist eine rein deutsche Gemeinde u.zw. eingewanderte Zipser.
Unsere Truppen übernahmen die Stellungen und unser Kommando schlug sein Lager in der Gemeinde auf. An der Front war vollkommene Ruhe. Am 8. Dezember 1917 wurde ein 10 – tägiger Waffenstillstand mit den Russen abgeschlossen. Der Abschluss des Waffenstillstandes hat wohl eine unbeschreiblich große Freude bei den Truppen hervorgerufen aber man bemerkte ganz genau, dass die Freude nur einen äußerlichen Charakter hatte, innerlich fühlte fast jeder Einzelne, dass wir schon noch harte Nüsse zu knacken haben.Am 17. Dezember wurde der Waffenstillstand bis zum 14. Jänner 1918 verlängert. Während dieser Zeit hatten wir sozusagen garnichts zu tun und da wurde den ganzen Tag hindurch entweder politisiert oder aber Karten gespielt. Ein jeder hätte die Ereignisse, die nun hastig über’n Haufen kamen, schon im Vorhinein prophezeien wollen und da gab‘s nicht selten gewaltige Enttäuschungen. Das Eine, was uns gleich mit unaussprechlicher Sehnsucht packte, war der Wunsch nach Frieden. Am 24. Dezember trat ich meine Urlaubsreise an und kam am zweiten Weihnachtstage glücklich zu Hause an. Auch zu Hause wurde sehr viel über Frieden gesprochen aber die Lage wurde mit sehr gemischten Gefühlen aufgefasst. Eins wollte man für sicher halten; nämlich den Sieg der Mittelmächte.Meine Brigade ist während meiner Urlaubszeit in die Nachbargemeinde Frumoasa übersiedelt und so musste ich auch dorthin einrücken. Auch hatten die russischen Truppen die Front verlassen und zogen bewaffnet in ihr Land zurück, während die Rumänen die Front spärlich besetzten.Auf die Dauer des Urlaubes unseres Kanzlisten Széll musste ich die Kanzlei übernehmen, wo ich ebenfalls Gelegenheit hatte, so manche Erfahungen zu machen.

Die Friedensverhandlungen mit Russland

Die Friedensverhandlungen mit Russland dauern an, gehen jedoch langsam von statten. Inzwischen hat die Ukraina sich zu einer selbstständigen Republik erklärt mit welcher der Friede am 9. Feber 1918 abgeschlossen wurde. Leider war dieser Friedensschluss von keinerlei Bedeutung, denn in ganz Russland brach der Bolschevismus aus und eine Menge Truppen unserer und der deutschen Armee zogen in Russland ein um den Bolschevismus niederzuringen. Leider war die Besetzung uns nur zum Nachteile, denn nicht nur, dass es uns nicht gelang den Bolschevismus niederzubrechen sondern auch unsere Truppen wurden von demselben infiziert und konnten später an den anderen Fronten nicht mehr verwendet werden; ja sogar große Verbreiter der kommunistischen Ideen sind aus ihnen geworden.
Mit Rumänien wurde auch zuerst ein Waffenstillstand und nachher ein provisorischer Frieden abgeschlossen.
Am 10. März 1918 ist die rumänische Front aufgelassen worden und es blieben nur mehr vereinzelte Grenzposten als Wache zurück.
Es ist somit an einer Stelle, wo noch vor ganz kurzer Zeit Kanonendonner und Gewehrgeknatter widerhallte und ein Ringen auf Leben und Tod tobte, Stille geworden.Unsere Truppen zogen fröhliche Lieder singend, den Schützengraben verlassend, rückwärts.
Am 19. März wurden wir in Vama einwaggoniert. Es wurde uns kundgemacht, dass unsere Division in das Innere des Landes verlegt wird, was wir natürlich mit Freude vernahmen. Auch habe ich erfahren, dass unsere Brigade in Oberungarn, während unsere Schwesterbrigade und das Divisionskommando in Temeswar und Umgebung platziert wird, was mich auch schmerzte, da ich doch auch viel lieber in Temeschwar gewesen wäre.

Die Verlegung der Brigade nach Oberungarn

Wir legten nun die Strecke über Felsöborgo, Bisztriez, Klausenburg, Großwardein, Szolnok, Hatvan zurück und kamen schließlich in Kaschau an, wo wir auswaggonierten und in der Artillerie – Kaserne untergebracht wurden. Die einzelnen Regimenter unserer Division wurden zu Requirierungen verwendet. Es sollte den Leuten nur die von den Behörden vorgeschriebene Quote Mehl, Speck, Fett etc, belassen, alles Übrige requiriert und weggeführt werden. Dass die vorgeschriebene Quote für Bauersleute kaum ausreichte, war selbstver-ständlich und so wurde halt versteckt und vergraben was nur möglich war, damit es den Requirierungsleuten nicht in die Hände falle.
Als bei meinen Eltern requiriert wurde, war ich eben auf Urlaub zu Hause und da haben die Requirierer mir zu Liebe das Haus von Durchsuchungen verschohnt. Der langandauernde Krieg veränderte die Verhältnisse auch im Hinterlande vollkommen. Man klagte allgemein über eine stets zunehmende Teuerung, manche Artikel, z.B. Petroleum etc. waren sehr schwer oder überhaupt nicht zu beschaffen und nur mit Wucherpreisen. Überhaupt sämtliche Industrieartikel stiegen von Tag zu Tag enorm in die Höhe. Bei einer Lagerung von ganz einfachen Knöpfen oder Zündhölzchen auf eine gewisse Zeit hätte man sich bereichern können. Die landwirtschaftlichen Produkte wurden maximiert und requiriert. Auch die Glocken aus den Kirchtürmen, die kupfernen Kessel, die Türklingel(Klinke) und alle Messingwaren, Leuchter etc. wurden requiriert und weggeführt. Daraus wurden Kanonen und Geschosse fabriziert.
In Kaschau haben wir gute Tage gehabt. Dienst hatten wir absolut keinen zu versehen und so verbrachten wir den ganzen lieben langen Tag in der Stadt. Jeden Abend gingen wir ins Theater und nachher unterhielten wir uns noch im Kaffeehaus ein wenig. An Geld hatte es uns nicht gefehlt, wir erhielten auch unser Menagegeld ausgefolgt, von dem wir uns täglich schön erhalten konnten. Auch wohnte ich jeden Sonntag im Kaschauer Dom einer Heiligen Messe bei.