Sânpetru German   

Kapitel 7: Verlegung der Division nach Italien

Die Meuterei in der Kaserne von Miskolcz

Am 10. Mai 1918 übersiedelten wir von Kaschau nach Mískolcz, wo wir ebenfalls in einer Kaserne untergebracht wurden. In diesen Tagen ereignete sich bei einem Batallion des 305 Regimentes ein folgenschwerer Fall, der wohl die Verhältnisse, Zustände und Lage ganz charakterisiert. Wegen schlechter und unzureichender Menage verweigerte eine Kompanie auf Anstiftung des Zugsführers Johann Nagy und Korporal Koloman Gomba den Gehorsam; nämlich, rückten sie morgens trotz Befehl nicht aus. Daraufhin erging auf höheren Befehl eine dreimalige Aufforderung an die Meuternden, dem befehle Folge zu leisten, ansonsten mit voller Schärfe gegen sie vorgegangen werden müsste. Die aufgehetzten Soldaten haben nicht nachgegeben sondern zogen mit voller Aufrüstung hinaus ins Freie, schanzten sich ein und wollten durch Kampf ihr Vorhaben durchsetzen. Auf jeden Einzelnen, der sich ihnen näherte wurde geschossen. Es wurden sodann einige Kompanien des Miskolczer Hausregimentes kriegsmäßig ausgerüstet und marschierten gegen die revoltierende Kompanie auf und umzingelten sie. Bevor es jedoch zum Kampfe gekommen ist, wurde der Hochw. Herr Feldpater von der Division noch zu ihnen entsendet, der auch nur sehr schwer beikommen konnte, da sie anfangs auch auf ihn feuerten – welchem dann nach langwierigen Verhandlungen und Zureden gelungen ist die Mannschaft zum Waffenniederlegen zu bewegen und sich zu ergeben. Der Zugsführer und Korporal wurden durch das Kriegsgericht zum Tode verurteilt.

Verlegung unserer Division an die italienische Front

Auf diese Ereignisse bekam die Division den Befehl für an die italienische Front.
Am 5. Juni 1918 waggonierten wir schon ein und verließen Miskolcz. Es ging über Budapest, Székesfehérvár, neben dem Plattensee Siofok, Pragerhof, Laibach, Udine bis Fontanafredda in Italien, wo wir auswaggonierten und als Armeereserve bis auf Weiteres verblieben.
Wir haben in Erfahrung gebracht, dass unsererseits eine große Offensive gegen die Italiener geplant ist, zu welcher die Vorbereitungen größtenteils schon getroffen waren.

Die Kenntnis der Italiener von unserer Offensive

Am 15. Juni 1918 nachts 2 Uhr setzte nun ein unbeschreiblich heftiges Artilleriefeuer ein. Das Firmament war feuerrot von dem Mündungsfeuer der vielen, vielen Geschütze und weithin widerhallte der Donner derselben. Bei Anbruch des Tages erhielten wir die Meldung, dass unsere Truppen die Piave überschritten und die italienischen Stellungen besetzt haben, welche überraschenderweise gänzlich geräumt waren.Es stellte sich heraus, dass die Italiener Kenntnis von unserer Offensive hatten und über unsere Angriffspläne haargenau informiert gewesen waren, sogar die Stunde war ihnen bekannt, in welcher unser Trommelfeuer losging und deshalb zogen sie ihre Truppen schon zwei Stunden vorher aus dem Angriffsabschnitt zurück einige Kilometer in ihre Reserve-stellungen um einen Verlust während des Trommelfeuers auf alle Fälle zu vermeiden. Unsere Infanterie rückte vor bis zu den besetztgehaltenen italienischen Stellungen. Nun geschah etwas Unverständliches. Unserer Artillerie ist die Munition ausgegangen und wurde von keiner Seite ergänzt, folgedessen verweigerte sie den Übergang über die Piave. Drei Tage und drei Nächte harrte unsere Infanterie einige Kilometer über der Piave aus ohne eine Stütze oder Hilfe von hinten gehabt zu haben. Nachdem die Italiener vernahmen, dass da etwas nicht klappt und dass unsererseits keine Angriffe mehr folgen, versäumten sie es nicht Gegenangriffe zu machen, welchen unsere Truppen eine zeitlang Stand hielten. Infolge der schweren Regengüsse ist die Piave derart angeschwollen, dass der Übergang immer mehr und mehr erschwert wurde und die Lage der über der Piave befindlichen Truppen sich immer kritischer gestaltete. Endlich hat sich unsere Armeeleitung dazu entschlossen, unsere Infanterie hinter die Piave zurückzuziehen, was auch am 23. Juni 1918 in der Nacht anstandslos vollzogen wurde. Somit erlitt unsere großzügige, großartig vorbereitete mit schweren Opfern und Geldmitteln verbundene Offensive, – ein schmähliches Fiasko! Später wurde darüber gesprochen, dass die Königin Zita unseren Angriffsplan ihrem Bruder, der in der französischen Armee diente, verraten hätte.Am 28. Juni 1918 erhielten wir Befehl zur Ablösung der 17. Infanterie- Division und marschierten sogleich von Fontanafredda über Pianzano bis in die Umgebung von Conegliano ab. Am 1. Juli übernahmen unsere Regimenter die Stellungen; das Brigadekommando quartierte sich in Citadella in ein Kastell ein.

 

Am 2. Juli 1918 nachmittags machten die Italiener einen großen Fliegerangriff auf die Eisen-Bahnstation Pianzano und Umgebung. Wahrscheinlich erhielten sie Kenntnis von unseren Truppenverschiebungen. Es nahmen an dem Angriff wenigstens 25 feindliche Flugzeuge, darunter 4 schwere Capronés (Caproni: italienisches Militärflugzeug) teil und warfen unzählige Bomben herab, welche eine große Vernichtung verursachten und die ganze Umgebung in Schrecken hielten. Einige Flieger flogen ganz niedrig über die Straße her und bestreuten dieselbe mit Maschinengewehrfeuer. Unsere Abwehrbatterien eröffneten ein heftiges Feuer, jedoch ohne Erfolg.
Am 8. Juli trat ich abermals eine Urlaubsreise an. Es ging von Pianzano über Gemona, Villach, Wien, Budapest, Arad und am 10. Juli mit dem Frühzuge kam ich zu Hause an. Im Innern des Landes nahm die Teuerung von Tag zu Tag zu und der nicht endenwollende Krieg lastete wie ein Alpdruck auf den Gemütern der Menschen.
Am 27. Juli langte ich bei meiner Brigade wieder ein. Die Lage war unverändert, bloß unser Brigadier Thyll war versetzt und an seine Stelle rückte Oberst Paleta ein. Seine Versetzung geschah auf eigenes Verlangen u.zw. wegen dem nicht korrekten Benehmen des General-stabshauptmannes Olgyay ihm gegenüber.
Am 31. Juli nachmittags steckte ein italienischer Flieger einen unserer Beobachtungsballone in Brand; der Flieger wurde von unseren Abwehrbatterien herabgeschossen.

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Die Gefechtshandlungen sind während den Monaten August und September gänzlich abge-flaut aber eine umso größere Propaganda der Italiener setzte gegen den Krieg bei unserer Mannschaft ein. Hunderttausende von Flugzetteln wurden täglich von italienischen Fliegern herabgeworfen in allen Sprachen gehalten, aufregenden und aufhetzenden Inhaltes um unsere Mannschaften zu demoralisieren und gegen die Armeeleitung und Offiziere aufzusticheln. Und sie verfehlten ihr Ziel nicht, denn sie wurden von unserer Mannschaft eifrig gelesen und fanden reichlich Zustimmung und die Wirkung machte sich bald bemerkbar.
In der allgemeinen Kriegslage trat ausgangs September eine Änderung ein, indem Bulgarien infolge der schweren Niederlagen an der mazedonischen Front um einen Waffenstillstand bei den Ententemächten eingekommen ist. Der Ausfall Bulgariens drückte die Stimmung der Mannschaft außergewöhnlich. Jeder Einzelne fasste die Lage sehr ernst auf und man sah sich an höheren Stellen gezwungen Befehle hinauszugeben und zu trachten die Mannschaft zu beruhigen und Bulgarien nicht als in die Waagschale fallend, betrachten. Leider ließ sich die Stimmung mit den schönsten Worten nicht bessern und man glaubte gerne das Gegenteil von dem Gesagten.
Am 5. Oktober wurde von Seiten der Mittelmächte ein Friedensantrag gestellt. Es fanden nachher häufig Notenwechsel statt, jedoch ohne einen Erfolg.
Vom 20. Oktober angefangen wurde die Front wieder lebhafter. Wir erhielten Nachrichten über Angriffsabsichten des Feindes. Auch kamen uns sehr betrübende Nachrichten aus dem Innern des Landes zu. Die Monarchie schien erschüttert zu sein. Jede Nation verlangte das Selbstbestimmungsrecht. Ungarn hat sich am 18. Oktober 1918 unter Personalunion selbst-ständig und unabhängig erklärt. Die Tschechen wurden von der Entente als kriegsführender Staat mit den Mittelmächten anerkannt.
Am 24. Oktober wurden kleinere Vorstöße des Feindes abgewiesen.
Am 27. Oktober nachts 2 Uhr setzte ein überaus heftiges feindliches Artilleriefeuer auf der ganzen Front ein. Eine Stunde später griff der Feind die Piave – Inseln an und fasste auf denselben Fuß. Um 3 Uhr 45 Min. Gegenangriff unsererseits, ohne Erfolg.
Während dem Gefechtstumult erhielten wir die Nachricht von der Abdankung des deutschen Kaiser’s Wilhelm II.

Unser Rückzug bis Fontanafredda

Die Italiener machten weitere Vorstöße und konnten sich auf der Insel Papadipoli ein-schanzen. Auf beiden Seiten heftiges Artilleriefeuer. Nachmittags gelang es den Italienern bei der 29. Inf. Division auf dem diesseitigen Ufer der Piave fußzufassen.
Am 28. Oktober setzte zeitlich früh der Angriff des Feindes bei unserer Nachbarbrigade Novothny abermals ein und es gelang ihnen bis um die Mittagszeit eine Tiefe von 6 Kilometer zu erreichen. Zwei tschechische Batallione sollten in Gegenangriff geführt werden, verweigerten jedoch den Befehl und traten zerstreut wie eine undisziplinierte Horde den Rückzug an.
Unser Schicksal war besiegelt; die Italiener fingen an unseren linken Flügel aufzurollen und als unsere Division Gefahr lief, umzingelt zu werden, ordnete der Generalstab den Rückzug an, leider aber doch schon spät, denn es wurden von unseren Truppen sehr viele Gefangene gemacht. In einem fluchtartigen Tempo ging es zurück über Ramera, Zoppe bis Capa de Sopra, wo wir übernachteten.
Am 29. Oktober griff der Feind um die Mittagszeit bei Ramera an und es ist ihm gelungen über den Bach Monticano zu kommen. Durch Gegenangriff konnte die Stellung bis zum Abend gehalten werden und ein Rückzug bei Tag, welcher gewöhnlich mit großen Opfern verbunden war (infolge der regen Fliegertätigkeit des Feindes) vermieden werden. Am Abend gings zurück über San – Fior, Pianzano, Godega, Sacile bis Fontanafredda. Unsere Truppen nahmen bei Livenza(Fluss) Stellung.Am 30. Oktober vormittags ruhig; kurz nach Mittag verbreitete sich plötzlich die Nachricht, dass die Italiener über der Livenza, Sacile schon verlassend, gegen Fontanafredda im Vormarsch sind. Es entstand darauf eine unbeschreibliche Panik.Die Straße war dichtvoll mit Truppen und auf die Alarmnachricht wollte einer vor den anderen. Die Artillerie fuhr mit ihrem schweren Geschütz über alles her und hat sehr viele Soldaten zu Tode gerädert. Diese Panik dauerte ungefähr eine Stunde an, nachher stellte sich heraus, dass vorne in der Linie alles unverändert war und der Wirrwarr durch unüberlegte Äußerungen einiger „Drucker“, die nicht mehr aushalten wollten, hervorgerufen wurde.Die allgemeine Lage war an und für sich trostlos und unhaltbar geworden. Ich schrieb am 30. Oktober wortwörtlich Folgendes in mein Tagebuch nieder: „ Es scheint als wenn wir die letzten Tage leben würden; die Munition ist bei den Truppen ausgegangen und wird nicht mehr ergänzt; Menage bekommen wir noch täglich einmal und die ist fast ungenießbar; reinigen können wir uns absolute nicht mehr, dazu haben wir keine Zeit, den ganzen Tag werden Telefonlinien gelegt, abgetragen aber keine mehr. Ich glaube das Ende ist nahe, denn die Lage ist unhaltbar und unsere Nerven halten es auch nicht mehr länger aus“.Die Nacht und der Vormittag des 31. Oktober verliefen ruhig. Es verbreitete sich die Nachricht, dass über Waffenstillstand verhandelt wird.

Fortsetzung des Rückzuges bis Gemona

Am 31. Oktober nachmittags verließen wir Fontanafredda und gingen über Roraigrande bis Cordenons zurück. Am 1. November nachmittags griff der Feind mit Panzerautos an. Widerstand konnten wir wir keinen mehr leisten und es blieb uns weiter nichts übrig als zurück und zurück. In San – Giorgio planten wir halt zu machen, nachher kam aber Befehl: zurück hinter den Tagliamento! In angestrengtem Marsche passierten wir Listerne und kamen nach Zurücklegung eines Marsches von 40 Kilometer in Rodeano – Alto gänzlich erschöpft an. Unsere Truppen nahmen am Tagliamento Front.
Der 2. November verlief ruhig. Auffallend war uns, dass unsere Offiziere fortwährend geheime Befehle von der Division und Korpskommando abzuholen hatten und auch untereinander sehr viel geheim verhandelten, was sonst nicht der Fall war; auch beherrschte sie eine ungemein gedrückte Stimmung, welche auf etwas schließen ließ.
Endlich sickerte soviel heraus, dass der Generalstab beschloss, die Stellungen zu verlassen und den Weg zufuß nach Ungarn anzutreten, indem Nachrichten von dem Ausbruch einer Revolution aus dem Inneren des Landes kamen.